Normen spielen für Spannungsqualität Messungen eine große Rolle. Dementsprechend ist es essentiell, dass auch diese an die neuen Gegebenheiten im Zuge des Wandels in der Energietechnik angepasst werden. Im zweiten Beitrag unserer Reihe befassen wir uns mit den gängigen Normen und wie diese mit Bezug auf die hohen Schaltfrequenzen auszulegen sind.
Für jede Messung die passende Norm
Für jede Messung im Bereich Power Quality ist es wichtig, die Normen zu berücksichtigen, die für das jeweilige Netz gelten. So werden im Zuge der Spannungsharmonischen im Niederspannungsnetz häufig zwei Normen gewählt: Die EN 50160 sowie die IEC 61000-2-2. Die heutige EN 50160 ist insofern eingeschränkt, da sie bei den Verträglichkeitswerten für das öffentliche Netz oberhalb der 25. Harmonischen keine Verträglichkeitspegel mehr besitzt.
Dementsprechend kann bei einer Messung zusätzlich zur EN 50160 die IEC 61000-2-2 hinzugenommen werden, die die Merkmale für Verträglichkeitspegel für niederfrequente leitungsgeführte Störgrößen und Signalübertragungen in öffentlichen Niederspannungsnetzen beschreibt. Vergleicht man die zwei Normen miteinander, wird folgender Unterschied im Hinblick auf die Messung auffallen:
- Die EN 50160 ist gedacht für den Übergabepunkt zum Kunden: Im Privatbereich würde man also am Hausanschluss des Kunden messen
- Die IEC 61000-2-2 beschreibt den sogenannten PCC (= Point of coming Coupling), was bedeutet, dass der Punkt betrachtet wird, an dem andere Verbraucher hinzukommen
Gemäß dem Fall, dass ein Kabelverteilerkasten verwendet wird und an diesem Kabelverteilerkasten zum einen eine 100 m lange Leitung zum Kunden A hängt und zum anderen eine weitere Leitung zu Kunden B, wäre der passende Messpunkt in diesem Falle laut IEC Norm der Kabelverteilerkasten. Dies wäre in diesem Fall der PCC. Würde bei einem Mehrfamilien-Haus mit mehreren Zählern gemessen werden, wäre der Messpunkt der Zähler und somit sowohl für die EN 50160 als auch für die IEC 61000-2-2 der gleiche.
Die IEC 61000-2-2
Bis vor ein paar Jahren gab es in der IEC 61000-2-2 eine Lücke zwischen der 50. Harmonischen und 150 kHz. Das bedeutet, dass es bis zur 50. Harmonischen Verträglichkeitswerte im Netz gab. Ab der 150kHz aufwärts gab es schon immer EMV-Normen bis zu einigen GHz. Dort wurde definiert, was ein Verbraucher an Störungen emittieren darf. Der Bereich oberhalb der 50. Harmonischen bis zu 150 kHz war bis zum Jahr 2018 nicht geregelt. Das bedeutet, wenn ein Verbraucher, z. B. 8 kHz ins Netz einbringt und andere Verbraucher damit stört, dann wurde bis dahin kein Grenzwert verletzt.
Bild 1 gibt einen Übersicht der gültigen Pegel bis 9kHz.
Bild 2 zeigt den Grenzwert im Bereich von 9 kHz bis 30 kHz. Was Energietechnikern an dieser Stelle etwas auffällt: Normalerweise ist man gewohnt, die Verträglichkeitspegel in Absolutwerten oder in %-Abweichung vom Nennwert zu definieren, diese Norm definiert allerdings in dB(μV). Eine kleine Hilfe, wie diese Werte in mV-Werte umzurechnen sind, liefert der untere Teil der Tabelle.
VDE Anschlussrichtlinien
Betrachtet man z. B. die VDE Anschlussrichtlinien (VDE AR-N-4100/ VDE AR-N-4110/ VDE AR-N-4120/ VDE AR-N-4130), erkennt man, dass auch hier Grenzwerte für Ströme bis 9 kHz definiert sind. An dieser Stelle wandert die Power Quality vom niederfrequenten in den Bereich höherer Schaltfrequenzen.
Für den Anschluss einer Kundenanlage an das Niederspannungsnetz gäbe es gemäß Bild 3 Verträglichkeitswerte der Ströme einer Kundenanlage von 2 kHz bis 9 kHz. Die Besonderheit bei diesem Fall: Es handelt sich nicht von einem Vielfachen der 50 Hz. Im Bereich zwischen 2 kHz und 9 kHz werden immer 200 Hz-Bänder zusammengefasst.
Der obere Bereich von Bild 1 zeigt auf, dass im Bereich zwischen 8,8 kHz und 9 kHz vom Messgerät alle Spektrallinien gruppiert werden und die Mittenfrequenz angegeben wird. Eine 8,9 kHz bedeutet dementsprechend, dass alle Rückwirkungen zwischen 8,8 kHz und 9 kHz enthalten sind und dafür bestehen wiederum Grenzwerte.
Mit der Normauswertung die richtigen Schlüsse ziehen
Eine Normauswertung könnte wie folgt aussehen: Über eine Woche hinweg wird die Spannungsqualität im Bereich bis 150 kHz gemessen (siehe Bild 4). Über die Software WinPQ mobil kann die Grenzwertlinie eingeblendet werden. Unsere Software bietet die Möglichkeit, wahlweise diese prozentual in Bezug auf die Grundschwingung anzuzeigen oder in dB(μV). Man erkennt in der Messung, dass je höher die Frequenzen werden, der Grenzwert sinkt. In diesem Beispiel sind Grenzwertverletzungen erkennbar.
Ein weiteres Beispiel aus der Praxis wurde an einer Technischen Hochschule durchgeführt. Die Schule verfügt über eine große Solaranlage sowie einige Ladestationen für E-Mobile. Nun wurde untersucht, welchen Einfluss die E-Autos auf Rückwirkungen im Netz haben. Bei Kunden und verschiedenen Energieversorgern kam der Verdacht auf, dass verschiedene Fahrzeuge nicht miteinander netzverträglich sind und aufgrund von gegenseitiger Beeinflussung aufhören zu laden, falls ein anderes Fahrzeug parallel geladen wird.
Bild 5 zeigt die Messung eines E-Mobiles an der Ladesäule. Der Graph zeigt eine Netzrückwirkung bei 10 kHz auf dem Strom. Das ist die Schaltfrequenz des Ladereglers im Fahrzeug. Über die Impedanz des Netzes sieht man im oberen Graphen die Rückwirkung auf der Spannung. Der Spannungspegel beträgt in unserem Fall 1,75 V. Wie bereits beschrieben: Die 10 kHz mit 1,75 V suchen sich irgendeinen Verbraucher, über den sie sich kurzschließen können. Tatsächlich ist es so, dass sich Fahrzeuge gegenseitig so stören können, dass der Ladevorgang abgebrochen wird. Die gesamte Messung finden Sie in unserem Applikationsbericht paralleles Laden von E-Mobilen: https://www.a-eberle.de/applikationsberichte/paralleles_laden_von_e-mobilen/
Autor
Jürgen Blum, Produktmanager Power Quality Mobil