Viele verschiedene Akteure, wie beispielsweise Verbraucher, Erzeuger, Speicher- oder Kompensationsanlagen haben Einfluss auf elektrische Stromnetze. Alle an das Stromnetz angeschlossenen Geräte müssen so zusammenarbeiten, dass sie keines der anderen Geräte in unzulässiger Weise beeinflussen.
Heutzutage werden vermehrt klassische Lasten wie Synchronmaschinen durch frequenzvariable Antriebe ersetzt, da diese einen höheren Wirkungsgrad und eine höhere Variabilität bieten. Allerdings verursachen Sie in höheren Frequenzbereichen auch neue Probleme.
Um die Störemissionen dieser Vielzahl von Lasten zu regeln, haben sich im Laufe der Jahre mehrere Normen der Versorgungsnetze (z.B. EN 50160, IEC 61000-2-2, IEEE-519, …) etabliert. Der folgende Bericht zeigt auf, wie durch das Zusammenspiel einer PQ-Box und der Software WinPQ mobil die Bewertung der Störpegel an einer Messstelle im Vergleich zu zugelassenen Netznormen möglich ist.
Übersicht aller relevanten Normen für die Power Quality
Die am häufigsten verwendeten internationalen Normen werden in Tabelle 1 aufgezeigt. Um die Netzqualität an einem bestimmten Messpunkt zu bewerten, ist es wichtig, die Normen zu berücksichtigen, die für das entsprechende Netz gelten. Wie der Tabelle entnommen werden kann, gelten einige Normen für bestimmte Spannungsebenen. In den meisten Fällen wird die Niederspannung mit < 1 kV definiert, die Mittelspannung von 1 bis 35 kV und die Hochspannung > 35 kV. Selbstverständlich variieren die Eigenschaften von Netztypen mit unterschiedlichen Spannungsebenen, woraus sich unterschiedliche Schwellenwerte und Anforderungen an die Messauswertung ergeben. Einige Normen sind explizit für einen bestimmten Spannungsbereich ausgelegt, wie Tabelle 1 darstellt.
Die gängigen Normen wie die EN 50160 und die IEC 61000-2-2 versuchen, einen breiten Bereich von elektrischen Parametern elektrischer Netze wie Frequenz, Spannungspegel, Flicker, Spannungsoberschwingungen und THD abzudecken. Sie zeigen aus der Sicht des Energieversorgers, welches Niveau der Netzqualität ein Kunde an einem Anschlusspunkt erwarten darf.
Andere, spezifischere Normen wie die IEC 61000-3-12 werden nur für die Bewertung von Stromoberschwingungen verwendet und beziehen sich auf die Anforderungen, die neue Lasten erfüllen müssen, bevor sie an ein elektrisches Stromnetz angeschlossen werden dürfen. Welche Norm für eine Messstelle die richtige ist, hängt immer von der Art des Netzqualitätsproblems ab. Eine allgemeine Untersuchung erfordert einen universellen Standard. Liegt ein spezifisches Problem bei hochfrequenten Störungen vor, ist es sinnvoll, einen spezifischen Standard wie z. B. IEC 61000-2-2 zu wählen.
EN 50160
Beschreibung: Merkmale der Spannung in öffentlichen Elektrizitätsversorgungsnetze
Anwendbar für: Nieder-, Mittel- und Hochspannungsnetze (Öffentliche europäische Netze)
Untersuchte Parameter:
- Frequenz
- Spannung
- Flicker
- Spannungsoberschwingung
IEC 61000-2-2
Beschreibung: Umgebungsbedingungen – Verträglichkeitspegel für niederfrequente leitungsgeführte Störgrößen und Signalübertragung in öffentlichen Niederspannungsnetzen
Anwendbar für: Niederspannungsnetze (International)
Untersuchte Parameter:
- Frequenz
- Spannung
- Flicker
- Spannungsharmonische
- Frequenzbänder von Oberschwingungen bis zu 150 kHz
IEC 61000-2-12
Beschreibung: Umgebungsbedingungen – Verträglichkeitspegel für niederfrequente leitungsgeführte Störgrößen und Signalübertragung in öffentlichen Mittelspannungsnetzen
Anwendbar für: Öffentliche Mittelspannungsnetze (International)
Untersuchte Parameter:
- Frequenz
- Spannung
- Flicker
- Spannungsoberschwingung
IEC 61000-2-4
Beschreibung: Umgebungsbedingungen – Verträglichkeitspegel für niederfrequente leitungsgeführte Störgrößen in Industrieanlagen
Anwendbar für: Niederspannungsnetze in der Industrie (International)
Untersuchte Parameter:
- Frequenz
- Spannung
- Flicker
- Spannungsoberschwingung
IEEE 519
Beschreibung: Empfohlene Praxis und Anforderungen für die Oberschwingungsregelung in elektrischen Energiesystemen
Anwendbar für: Nieder-, Mittel- und Hochspannungsnetze in der Industrie (International)
Untersuchte Parameter:
- Spannungsoberschwingung
- Stromoberschwingung
IEC 61000-3-12
Beschreibung: Grenzwerte – Grenzwerte für Oberschwingungsströme, verursacht von Geräten und Einrichtungen mit einem Eingangsstrom > 16 A und <= 75 A je Leiter, die zum Anschluss an öffentliche Niederspannungsnetze vorgesehen sind
Anwendbar für: Öffentliche Niederspannungsnetze
Untersuchte Parameter:
- Stromoberschwingung
Anforderung an das Messverfahren
Um zuverlässige Ergebnisse zu liefern, sind in den Normen für die Netze bestimmte Normen für Messgeräte festgelegt. Diese sind unter anderem:
- IEC 61000-4-30: Diese Norm kann als wichtigste bezeichnet werden und beschreibt die allgemeinen Parameter eines Klasse A Messgerät wie die Genauigkeit, die Aggregationsmethode und wichtige Messgrößen.
- IEC 61000-4-15: Diese Norm beschreibt die Messung von Flicker.
- IEC 61000-4-7: Diese Norm definiert die Verfahren für die Messung von Oberschwingungen und Frequenzbändern von Spannung und Strom bis zu 9 kHz.
Alle PQ-Boxen von A. Eberle erfüllen diese Normen zu 100 % und können daher für die Auswertung aller gängigen Netzqualitätsnormen
weltweit eingesetzt werden.
Einrichtung der PQ-Box
In den Normen sind sehr viele Parameter beschrieben, sodass die richtige Einrichtung des Messgerätes vor Beginn der Messung essenziell für den Erfolg der Messung ist. Um eine schnelle und einfache Einrichtung mit den bestmöglichen Ergebnissen für den Kunden zu ermöglichen, wird die kostenlose Software WinPQ mobil mit einem kompletten Parametersatz der gängigsten Netzqualitätsnormen ausgeliefert (siehe Bild 1). Unsere Experten pflegen die in der Software hinterlegten Grenzwerte stetig. Änderungen der Verträglichkeitsstufen werden kontinuierlich aktualisiert.
Die Standardvorlagen können zu jeder PQ-Box hochgeladen werden. Die Parameter können problemlos eigenständig angepasst werden, somit ist es sehr einfach möglich, eigene Vorlagen auf Basis unseres Parameter-Vorschlags zu erstellen. Bei Spannungsqualität Messungen mit unseren PQ-Boxen ist es möglich, nachträglich das Messintervall zu ändern oder die Nennspannung bzw. das Strom- und Spannungswandler-Verhältnis an die gewünschten Werte anzupassen. Während bei anderen Netzqualitätsmessgeräten die aufgezeichneten Messwerte vor der Messung definiert werden müssen, zeichnet die PQ-Box stets alle möglichen netzqualitätsbezogenen Spannungs- und Strommessungen sowie Leistungs- und Energiewerte auf.
Die Erfassung von Oberschwingungen ist abhängig vom gewählten Netztyp (siehe Bild 2). In einem 4-Leiter-Netz werden die Spannungsoberschwingungen als Leiter-zu-Erde-Werte gespeichert. In einem 3-Leiter-Netz werden die Oberschwingungen von Leiter zu Leiter gespeichert. Mittel- und Hochspannungsnetze werden normalerweise im 3-Leiter-Modus betrieben. In der Niederspannung ist der Standard ein 4-Leiter-System (TN-C), aber in einigen industriellen Anwendungen ist es möglich, dass einem auch isolierte Delta-Systeme begegnen.
Verbindung am Messpunkt
Der Anschluss an die Messstelle ist durch eine Vielzahl von Strommess-Zubehör möglich. Unsere PQ-Boxen erkennen das Zubehör automatisch, wodurch der Anwender an den Einstellungen nichts verändern muss.
Bei Spannungsqualität Messungen an der Sekundärseite von Stromwandlern empfehlen wir den Einsatz von Mini-Stromzangen. Der Wandlerfaktor des externen Stromwandlers muss in den allgemeinen Einstellungen des Geräts eingestellt werden.
Die Spannungsleitungen der PQ-Box können mit den beiliegenden Delphin- oder Magnetspannungssonden direkt an die Stromschiene (< 1.000 V) oder an die Sekundärseite von Spannungswandlern angeschlossen werden. Die Aufzeichnung wird durch Drücken der „Play“-Taste an der PQ-Box oder über die Software WinPQ mobil gestartet.
Datenevaluation
Das Level der Störungen in Übertragungs- und Verteilungsnetzen variiert je nach Last über (1) einen Zeitraum von 24 Stunden sowie zwischen (2) Wochentagen und Wochenenden. Aus diesem Grund verlangen alle Netzqualitätsnormen eine statistische Auswertung der aufgezeichneten Daten über bestimmte Zeitfenster. Üblicherweise liegt das Auswertungsintervall bei mindestens 7 Tagen oder einem Vielfachen davon mit einem Messintervall von 10 Minuten. Netzstandards mit kürzeren Auswertungsintervallen wie z.B. IEEE-519 verlangen eine tägliche statistische Auswertung von 3 sec-Werten.
In vielen Fällen ist es nicht möglich, die PQ-Box zu einem bestimmten Zeitpunkt zu starten und zu stoppen. Daher kann es sinnvoll sein, die Messung etwas vor dem gewünschten Beginn des Untersuchungszeitraums zu starten und nach Ende des Zeitraums zu stoppen. Beim Laden der Daten mit der Software WinPQ mobil ist es möglich, ein eigenes Auswertezeitfenster von 1 Tag, 1 Woche, etc. zu wählen.
Bild 3 zeigt den Startbildschirm einer Messung mit einer Gesamtlänge von 8 Tagen und 22 Stunden. Durch Drücken der Schaltfläche „1 Woche“ kann ein Intervall von genau 7 Tagen gewählt werden. Die Startzeit des Intervalls ist frei wählbar.
Nachdem die Messung geladen wurde, bietet die WinPQ-Software eine Reihe von automatischen Standardauswertungsmöglichkeiten:
- Automatische Erzeugung von Berichten nach EN 50160, IEC 61000-2-2 oder IEC 61000-2-4
- Erzeugung eines Berichts über Spannungsoberschwingungen
- Erzeugung eines Berichts über Stromoberschwingungen
Die automatische Berichtsfunktion ist sehr nützlich für die Power-Standard-Bewertung. Mit einem Klick erzeugt sie einen druckbaren PDF-Bericht, der folgenden Netzqualitätsparameter auswertet:
- Frequenz
- Spannungsänderung
- THD
- Harmonische
- Spannungsungleichheit
- Rundsteuersignale
Praxisbeispiel
Messung an einer Photovoltaik-Anlage im Niederspannungsnetz
Bild 4 zeigt eine Messung mit der PQ-Box 100 an einer PV-Anlage (ca. 15 kW) in einer abgelegenen Gegend. Nach der Installation der Anlage an einem Bauernhof, beschwerten sich die Bewohner beim Netzbetreiber über flackerndes Licht.
Das Niederspannungsnetz hat eine Nennspannung von 230 V (Leiter-zu-Erdung) und ist als TN-C-System ausgelegt. Um die Netzqualität gemäß der Norm EN 50160 zu beurteilen, wurde eine Messung über 7 Tage durchgeführt. Die Spannungsgrenzen dieser Norm liegen bei – 10 % (207 V) und + 10 % (253 V).
Die Schnellauswertung mit der WinPQ mobil zeigt folgende Gegebenheiten:
- Viele Power-Quality-Ereignisse (kurzzeitige 10 ms – Verletzungen der Spannungsgrenzen)
- Spannungsänderungen liegen nahe am Grenzwert
- Flickerwerte oberhalb des Grenzwertes
- Grenzwertverletzung von Spannungsoberschwingungen
Auswertung von Harmonischen
Ein genauerer Blick auf die Details der Spannungsharmonischen-Analyse (Bild 5) zeigt, dass alle signifikanten Harmonischen wie die 5, 7, 11, 13 weit unterhalb des Grenzwerts liegen.
Anmerkung: Die roten und blauen Balken visualisieren die statistische Auswertung des Standards. Der rote Balken steht für das 95 %-Perzentil (99 % bei Mittel- und Hochspannung) und der blaue Balken für den Maximalwert aller analysierten Werte.
Nur die 27. Harmonische wird verletzt. Die Details (Bild 6) zeigen einen maximalen Wert von 0,31 % der Grundschwingung. Hohe Werte des Vielfachen von drei der Oberschwingungen sind sehr typisch für Niederspannungsnetze und es ist unwahrscheinlich, dass der gemessene Störungspegel die Flickerprobleme verursacht.
Bewertung der Spannungsänderung
Um die hohen Spannungsänderungen zu beurteilen, ist es sinnvoll, sich die permanente Aufzeichnung genauer anzusehen.
Über das Auswahlfeld auf der linken Seite werden die Werte Ueff (Effektivwerte der Spannung), PLT (Langzeitflicker von UL1, UL2, UL3) und Wirkleistung Ptotal ausgewählt. Bei der Analyse von Spannungsänderungen oder Flickerproblemen ist es immer hilfreich, die Spannung am Messpunkt zu visualisieren. Durch die Betrachtung der Leistungswerte kann abgeschätzt werden, ob die Last durch Phänomene im Netz beeinflusst wird, oder ob die Last selbst der Verursacher von Störungen ist.
Bild 7 zeigt die sich daraus ergebende Grafik, die einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Leistungsabgabe der PV-Anlage (ca. – 15 kW) und den ansteigenden PLT-Werten aufzeigt. Während der Nacht liegt der Langzeitflicker PLT bei ca. 0,3 und steigt auf 1,4 an, sobald die PV-Anlage läuft. Dies liegt deutlich über der Normschwelle von 1. Die Grafik zeigt auch den Grund für den Anstieg des Flickerwertes:
Flicker hängen stark mit Spannungsänderungen zusammen. In Bild 7 kann man erkennen, dass jedes Mal, wenn die PV-Anlage Strom ins Netz einspeist, der Spannungspegel um ca. 10 V ansteigt, was zu einem sehr hohen Spannungspegel von über 250 V führt. Die schwankende PV-Stromerzeugung erzeugt schwankende Spannungspegel im Netz, was zu flackerndem Licht führt.
Fazit
Die Analyse mit unserer PQ-Box offenbart, dass die Spannungsänderungen durch die Einspeisung der PV-Anlage hervorgerufen wurden. Die Leistung der PV-Anlage überschreitet nicht den zulässigen Wert, was bedeutet, dass das Netz am Anschlusspunkt als zu schwach angenommen werden kann, um die Leistung der PV-Anlage aufnehmen zu können. Es scheint, dass das lang ausgelegte Niederspannungsanschlusskabel (650 m) zum Bauernhof eine zu hohe Impedanz hat, was einen hohen Spannungsabfall verursacht, wenn die Anlage in Betrieb ist.
Eine mögliche Lösung für dieses Problem wäre eine Erweiterung des Netzes durch die Installation eines Parallelkabels oder einer 1 kV Übertragungsleitung zum Haus. Aufgrund der hohen Kosten für eine Netzerweiterung entschied sich der Energieversorger an diesem Standort für die Installation des Niederspannungsregelsystems LVRSys® von A. Eberle. Das Regelsystem verwendet thyristorgesteuerte Transformatoren, um die Spannung am Anschlusspunkt des Kunden zu regeln. Wie in Bild 8 zu sehen ist, konnten nach der Installation des LVRSys® die Spannungsbandverletzungen behoben werden.
Autoren
Jürgen Blum, Produktmanager Power Quality Mobil
Ronny Steinert, International Key Account Manager