Durch die Transformation der Energiewirtschaft von einer zentralisierten Struktur hin zu einer dezentral geprägten Energieversorgung, entstehen komplexe Energienetze mit volatilen Lastflüssen und wechselnden Lastflussrichtungen. Netzrückwirkungen müssen auf ein verträgliches Maß reduziert werden, um Störungen zu vermeiden. In diesem Zusammenhang wachsen konventionelle beziehungsweise nicht-konventionelle Wandler und Power Quality Messtechnik zusammen, und zwar zur innovativen und wirtschaftlichen »Systemlösung« mit Blick in die Zukunft.
Der Wandel in der Erzeuger-, Transport-, Verteil- und Verbraucherstruktur der mitteleuropäischen Energienetze, auch in weiteren Teilen der Welt, nimmt Fahrt auf. In Deutschland strebt die Bundesregierung mit ihrem Koalitionsvertrag den Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 an, wobei der Kernenergieausstieg verabschiedet bleiben soll. Des Weiteren sollen die Bundesländer 2 % der Flächen für Windenergie bereitstellen. Parallel dazu wird Solarenergie auf Dachflächen gewerblicher Neubauten verpflichtend.
Durch all diese Maßnahmen werden Großkraftwerke, die eine zentralisierte Energieerzeugung darstellen, Zug um Zug durch zahlreiche, dafür kleinere, dezentrale Erzeuger ersetzt. Selbige speisen in der Regel mithilfe von leistungselektronischen Komponenten in allen Netzebenen vom Niederspannungshausanschluss bis hin zum Höchstspannungsnetz ein.
Darüber hinaus gibt es immer mehr Verbraucher auf dem Markt, die im Rahmen der Energieeffizienzsteigerung ebenfalls leistungselektronische Elemente verbaut haben. Daraus entsteht ein komplexes Energienetz mit volatilen Lastflüssen und wechselnden Lastflussrichtungen. Die nicht-lineare Eigenschaft der leistungselektronischen Komponenten führt zu Netzrückwirkungen in den Energienetzen und ist die Hauptursache von höherfrequenten Spannungs- und Stromkomponenten in Energienetzen.
Die sich daraus ergebende Veränderung bei den Netzrückwirkungen, zum Beispiel Oberschwingungsspannungen/-strömen und Flicker, muss auf ein verträgliches Maß begrenzt werden, um Störungen zu vermeiden. Aus der Erzeuger- und Verbraucherstruktur ergeben sich zahlreiche Übergabe- und Verrechnungsstellen, die hinsichtlich der Gewährleistung der Spannungsqualität neuralgische Punkte darstellen.
Das im Folgenden dargestellte Beispiel aus einer Messung bei TenneT im Übertragungsnetz zeigt exemplarisch die Veränderung einzelner Oberschwingungspegel über fünf Jahre im Vergleich zum Jahr 2017. Dabei wurden die maximalen 95 %-Quantile einer Woche verglichen. Gezeigt sind in Bild 1 lediglich die Oberschwingungsordnungen mit bewertungsrelevanten Messpegeln. Es zeigt sich, dass sich durch die Veränderungen im Netz – zum Beispiel durch den Neuanschluss von leistungselektronischen Komponenten oder einer Veränderung der Netztopologie – signifikante Veränderungen in den Messpegeln ergeben können.
Um Oberschwingungspegel und den THD-Faktor (Total Harmonic Distortion) bestimmen zu können, sind Power-Quality-Messgeräte erforderlich, die bereits heute höherfrequente Spannungs- und Stromkomponenten bis in den Bereich der Supraharmonischen aufzeichnen. Weiterhin können diese Geräte zum Beispiel mittels eingebauter Transienten-Interfaces mit bis zu 40,96-kHz-Abtastrate bei der Störungsanalyse unterstützen.
Neben der genannten Zunahme an Oberschwingungsemittenten besitzt jedes Energienetz auch Parallel- und Reihenresonanzen, die sich mit steigender Frequenz, beginnend mit einer Parallelresonanz, abwechseln. Oberschwingungen können diese Systeme anregen, die dann zu erheblichen Störungen wie Geräuschen, Beschädigungen an Betriebsmitteln oder Interaktionen mit leistungselektronischen Betriebsmitteln führen können.
Praxiserfahrungen zeigen, dass die zuvor genannten Phänomene verstärkt auftreten. Dies kann unter anderem auf die veränderte Erzeuger- und Verbraucherstruktur, aber auch auf den Zubau von Teilverkabelungsabschnitten, zurückgeführt werden.
Ein definiertes Übertragungsverhalten der installierten Strom- und Spannungswandler ist sowohl für die Fehlersuche, als auch für eine Überwachung der Grenzwerte eine Voraussetzung. Grundsätzlich müssen PQ-Norm-Messgeräte gerichtsfeste, aber auch rückführbare Daten liefern. Daher beschreibt die Messgerätenorm IEC 61000-4-30 für Klasse-A-Geräte vollständig die Aggregation und die Genauigkeit der Messdaten. Die Genauigkeit der Messeingänge muss <0,1 % betragen, die der Oberschwingungsmessung <5 %.
Die gesamte Messkette muss beachtet werden
Das Bindeglied zwischen PQ-Messgerät und Energienetz ist die Wandlung der Strom- und Spannungssignale. Oft werden konventionelle, nach IEC 61869-2, -3, -4 oder -5 geprüfte Strom- und Spannungswandler verwendet. Die Problematik hierbei ist, dass diese Wandler für einen Betrieb bei Nennfrequenz ausgelegt und geprüft sind und somit ihr Frequenzübertragungsverhalten eine akkurate Erfassung von Harmonischen höherer Ordnung und auch Supraharmonischen nicht mit ausreichender Genauigkeit ermöglicht. Demnach bleibt die Frequenzabhängigkeit des Übersetzungsverhältnisses oft unberücksichtigt.
Dieses Vorgehen birgt aber große Unsicherheiten, da präzise Aussagen über das frequenzabhängige Übersetzungsverhältnis nur mittels aufwendiger Messverfahren, oft erst nach Störungen, begutachtet werden können. Es stellt sich somit die Frage, mit welcher Technologie von Primärgeräten eine adäquate Spannungsmessung über ein sehr breites Frequenzspektrum durchgängig durchgeführt werden kann.
Während Stromwandler wie in Abbildung 2 gezeigt ein relativ breitbandiges Frequenzverhalten aufweisen, ist dieses gerade bei den induktiven Spannungswandlern, aufgrund der Eigenresonanzstellen, stark eingeschränkt (Abbildung 3), sodass diese den Anforderungen für die Messung der Power Quality nicht genügen. Ferner kommt hinzu, dass diese Eigenresonanzstellen mit zunehmender Systemspannung näher zur Netzfrequenz wandern und so die Tauglichkeit für die PQ-Messung stärker beschnitten wird (siehe IEC/TR 61869-103). Daraus resultiert die Anforderung für ein alternatives Messprinzip.
Resistive-kapazitive-Spannungsteiler, kurz RC-Teiler, bieten sich hierfür aufgrund ihres exzellenten Frequenzgangs an und kommen meistens in Höchst- und Hochspannungsnetzen zum Einsatz.
Mittels passender Abstimmung dieser Primärkomponenten mit den in Abbildung 4 gezeigten elektrischen Messgrößen ist es möglich, eine Genauigkeitsklasse 0.2 im Frequenzbereich von 0 bis 10 kHz zu erreichen.
Funktionsweise von RC-Teilern (Resitive Capacitive Voltage Dividers)
Resistiv-kapazitive-Spannungsteiler, kurz RC-Teiler, bestehen aus einem Netzwerk von seriell verschalteten RC-Gliedern. Dabei wird die Spannung entlang des Isolators durch die Komponenten R1 und C1 gleichmäßig aufgeteilt, was zu einer linearen Spannungsverteilung führt.
Es stellt sich die Frage, ob ein reiner kapazitiver Teiler (C-Teiler) oder ein reiner resistiver Teiler (R-Teiler) nicht genügen würden?
Mit der Intention, eine sehr breitbandige Messung durchführen zu können, sind weder der eine noch der andere »einfache« Teiler wirklich geeignet. Mit einem C-Teiler kann keine Gleichspannung gemessen werden und der R-Teiler kann, aufgrund der parasitären Erdstreukapazitäten CE, die abhängig von der Baugröße sind, bei Wechselspannungssignalen eine große Ungenauigkeit aufweisen. Die Kombination in Form des RC-Teilers eignet sich somit bestens für den Einsatz zur Messung sowohl von Gleich- und Wechselspannungen als auch von Mischspannungen.
Aufgrund der bereits erläuterten elektrischen Eigenschaften eignen sich RC-Teiler für die verschiedensten Einsatzgebiete:
- Messung von DC-Offset im AC-Netz
- Messung von Ferroresonanzen oder subharmonischen Komponenten im Netz
- Messung von harmonischen Frequenzen (PQ-Überwachung)
- Messung von transienten Spannungsverläufen
Weitere Einsatzgebiete sind:
- Ferroresonanzkritische Stellen im Netz
- Situationen mit hohen, transienten Spannungsbelastungen und steilen du/dt-Werten
- Netze mit hohen Frequenzschwankungen als Ersatz von kapazitiven Spannungswandlern
- Alternative zu kapazitiven Spannungswandlern für die Entladung von Leitungen, jedoch mit langen Entladezeiten im Vergleich zu induktiven Spannungswandlern
Die Weiterentwicklung der anwendbaren Normen – zum Beispiel die DIN EN 61000-2-2 – in Richtung eines Messbereichs bis 150 kHz werden die künftigen Anforderungen an die Messmittel nochmals verschärfen. RC-Teiler können diese Anforderung bereits heute gut erfüllen, da sie im Zusammenspiel mit geeigneten Messgeräten, deren Eingangsimpedanz beispielsweise 10 MOhm beträgt, einen Messbereich bis 170 kHz und höher abzudecken vermögen. Ferner sind zusätzliche Erweiterungen des Frequenzbereichs sowie neue Messaufgaben zu erwarten, respektive bereits in der Pilotphase.
Power-Quality-Messungen im Übertragungsnetz der TenneT
Beim Übertragungsnetzbetreiber TenneT werden immer mehr nicht-linieare Erzeuger und Verbraucher wie HGÜ, STATCOM, Batteriespeicheranlagen, Elektrolyseanlagen oder Windparks schon heute und künftig vermehrt an das Höchstspannungsnetz angeschlossen.
Die Technische Regel VDE-AR-N 4130 für den Anschluss von Kundenanlagen an das Höchstspannungsnetz und deren Betrieb (TAR Höchstspannung) sowie die Technische Regel VDE-AR-N 4131 für den Anschluss von HGÜ-Systemen und über HGÜ-Systeme angeschlossene Erzeugungsanlagen (TAR HGÜ) fordern unter anderem Obergrenzen für die Einspeisung von Oberschwingungskomponenten und Anteilen oberhalb des Oberschwingungsfrequenzbereichs bis 9 kHz am Netzverknüpfungspunkt. Dabei müssen die zulässigen Emissionen zwischen den Anschlussnehmern koordiniert und mit geeigneten Verfahren eine Nachweisführung durchgeführt werden.
Die Messungen am Netzknoten mit nicht-linearen Erzeugern und Verbrauchern erfolgen heute mittels festinstallierten RC-Teilern und den Power-Quality-Messgeräten PQI-DA smart (oder PQI-DE). Die Impedanz der beiden Geräte ist einschließlich der eingemessenen Kabellänge aufeinander abgestimmt, um eine bestmögliche Messgenauigkeit zu erhalten.
Weiterhin sind im Höchstspannungsnetz vermehrt temporäre Messaufgaben mit einer erhöhten Genauigkeit für Power-Quality-Messungen oder für das Aufzeichnen von transienten Schaltvorgängen durchzuführen.
Dies sind beispielsweise:
- Ermittlung der Hintergrundharmonischen für die Koordinierung der Oberschwingungen in der Planungsphase von Projekten mit Neuanschlüssen von nicht-linearen Erzeugern und Verbrauchern
- Inbetriebnahmen von neuartigen Betriebsmitteln
- Temporäre Untersuchungen im Rahmen von Inbetriebnahmen neuer Netzabschnitte
Hierzu hat TenneT bereits zwei mobile Messsysteme im Einsatz.
Diese mobilen Messsysteme bestehen aus einem auf einem Anhänger montierten RC-Teiler und einem speziellen Aufbau mit der installierten Mess- und Kommunikationstechnik für die Anbindung an das Nachrichtennetz. Dies ermöglicht in Verbindung mit den vorkonfektionierten Anschlusskabeln eine qualitativ gleichwertige Messung im Vergleich zum fest installierten Messsystem.
Abbildung 5 zeigt den mobilen RC-Teiler von PFIFFNER Messwandler in der Praxis und Abbildung 6 die Messgeräte PQI-DA smart und PQI-DE von A. Eberle im Systemverbund zur Erfassung der Power Quality.
Die Störschreiber und Power-Quality-Netzanalysatoren PQI-DA smart und PQI-DE sind die zentralen Komponenten in einem System, mit dem alle Messaufgaben in einem Nieder-, Mittel- sowie Hoch- und Höchstspannungsnetz gelöst werden können (Abbildung 7).
Die Analysatoren können als Störschreiber mit bis zu 40,96 kHz Abtastrate als Power-Quality-Messgeräte nach EN50160/IEC 61000-2-2/4 oder als Leistungsanalysator eingesetzt werden. Vor allem sind die Komponenten dafür geeignet, spezielle Bezugsqualitäten oder Qualitätsvereinbarungen zwischen dem Energieversorger und seinem Kunden zu überwachen, zu registrieren und zur Auswertung beziehungsweise Speicherung bereitzustellen.
Moderne Spannungsqualitätsmessgeräte arbeiten nach
der Norm IEC 61000-4-30, Ed. 3 (Klasse A). Diese Norm
definiert Messmethoden, um für den Anwender eine vergleichbare Basis zu schaffen.
Das Beispiel in Abbildung 8 aus einer Messkampagne mit dem beschriebenen, mobilen Messsystem zeigt Messergebnisse der 200-Hz-Bänder im Frequenzbereich oberhalb der 40. Harmonischen bis 9 kHz entsprechend dem Messverfahren der DIN EN 61000-4-7.
A. Eberle und PFIFFNER Messwandler, natürlich im Teamwork mit Energieversorgern wie TenneT, haben die Zeichen der Zeit frühzeitig erkannt und entsprechend gehandelt. Die Weichen für zukunftsfähige Lösungen sind gestellt.
Kurzvorstellung der beteiligten Unternehmen
A. Eberle GmbH & Co. KG
Die A. Eberle GmbH & Co. KG hat sich ausgehend von ihrer Gründung im Jahr 1980 als Premiumanbieter im Bereich der elektrischen Energietechnik, speziell in der Mess- und Regeltechnik, etabliert. Die hergestellten Produkte werden in allen Spannungsebenen bei Energieversorgern, Netzbetreibern und in der Industrie eingesetzt.
Das Produktportfolio von A. Eberle umfasst die Spannungsregelung von Transformatoren mit Stufenschaltern, die schnelle Spannungsregelung im Niederspannungsnetz, die Regelung von Petersenspulen und die damit verbundene Erdschlussortung sowie die mobile und festinstallierbare Spannungsqualitätserfassung mit Störschreibung und deren Auswertung.
A. Eberle hat auf die erläuterten Anforderungen an die Messtechnik schon vor einigen Jahren frühzeitig reagiert. Alle Power Quality Geräte sind dafür ausgelegt, den Bereich der Supraharmonischen messen zu können, um die Anforderungen von morgen bereits heute erfüllen zu können.
PFIFFNER Messwandler AG
PFIFFNER Messwandler ist ein mittelständisches Unternehmen im Familienbesitz in Hirschthal, Schweiz. Mit rund 200 Mitarbeitenden entwickelt, produziert und vertreibt PFIFFNER Messwandler Nieder- bis Hochspannungsmesswandler für die ganze Welt.
Als PFIFFNER International mit den Marken PFIFFNER, MOSER GLASER, HAEFELY und ALPHA-ET sind sie seit vielen Jahren als Unternehmensgruppe präsent im Markt für Energietechnik und elektrische Bahnen, seit 2021 auch mit HAVECO im Bereich Netz- und Anlagenbau.
Zur Gruppe mit rund 900 Mitarbeitenden gehören acht Fertigungsstätten, vier davon in der Schweiz und die weiteren in Deutschland, Türkei, Brasilien und Indien.
TenneT TSO GmbH
TenneT ist für den Betrieb, die Instandhaltung und den Ausbau des Höchstspannungsnetzes in großen Teilen Deutschlands und den Niederlanden verantwortlich. Damit sind wir Europas erster grenzüberschreitender Übertragungsnetzbetreiber für Strom.
Wir schließen Kraftwerke an das Netz an und sorgen für eine verlässliche und sichere Stromversorgung – 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Als erster grenzüberschreitender Übertragungsnetzbetreiber planen, bauen und betreiben wir ein fast 24.500 km langes Hoch- und Höchstspannungsnetz in den Niederlanden und großen Teilen Deutschlands und ermöglichen mit unseren 16 Interkonnektoren zu Nachbarländern den europäischen Energiemarkt.
Mit einem Umsatz von 6,4 Mrd. Euro und einer Bilanzsumme von 32 Mrd. Euro sind wir einer der größten Investoren in nationale und internationale Stromnetze, an Land und auf See. Jeden Tag geben mehr als 6.500 Mitarbeiter ihr Bestes und sorgen im Sinne unserer Werte Verantwortung, Mut und Vernetzung dafür, dass sich mehr als 42 Millionen Endverbraucher auf eine stabile Stromversorgung verlassen können.
Autoren
Tobias Engelbrecht, Technologist FACTS and Power Quality, Asset Management Power Electronics Systems, TenneT TSO GmbH
Raphael Wyder, Geschäftsleitung Technik & Vertrieb, A. Eberle Schweiz AG / ehem. Business Unit Leiter PFIFFNER Messwandler AG
Till Sybel, Mitglieder der Geschäftsleitung Technik & Vertrieb A. Eberle GmbH & Co. KG